Verwahrung für jugendliche Straftäter?

Handout SVJ Schweizerische Vereinigung für Jugendstrafrechtspflege

Vorbemerkungen

Die Schweiz verfügt über ein gut funktionierendes Jugendstrafrecht. Mit den gesetzlich vorgesehenen Schutzmassnahmen kann der allergrösste Teil der jugendlichen Täter reintegriert werden, so dass keine grosse Gefahr für weitere Straftaten mehr besteht. Die SVJ stellt sich daher denn auch grundsätzlich gegen eine Einführung der Verwahrung für jugendlicher Straftäter.

Die gemäss Motion Caroni angeprangerte Sicherheitslücke betrifft nur eine absolut geringe Anzahl an Verfahren. Es muss sich die Frage gestellt werden, ob für diese wenigen Ausnahmefälle tatsächlich eine gesetzliche Regelung geschaffen werden muss, bei welcher die Gefahr besteht, dass unser sehr gut funktionierendes Jugendstrafrecht umgekrempelt wird und zu einem Strafrecht analog Erwachsenenstrafrecht mit speziellen Schutzmassnahmen verkommt.

Zum Zeitpunkt der Einreichung der Motion lag die absolute Altersgrenze bei 22 Jahren. Erreichte ein junger Mensch dieses Alter, musste die jugendstrafrechtliche Schutzmassnahme aufgehoben werden. Heute liegt diese Altersgrenze bei 25 Jahren. Die Schutzmassnahmen der Jugendanwaltschaft/Jugendgerichte dauern also bereits länger als manche erwachsenenrechtliche Schutzmassnahme. In dieser Zeit wird intensiv mit den jungen Menschen gearbeitet und es wird sehr viel erreicht.

Nichtsdestotrotz können wir Praktiker uns dem aktuellen Zeitgeist - dem Ruf nach gesellschaftlichem Schutz und Sicherheit - nicht verschliessen. Der nun ausgearbeitete Vorschlag versucht, die in der Motion angeprangerte Lücke zu schliessen und gleichzeitig der Tragweite dieser Richtungsänderung Rechnung zu tragen.

Art. 19 c E.JStG, Verwahrung im Anschluss an eine geschlossene Unterbringung

Richtigerweise wurde die Option Verwahrung auf den Tatbestand Mord, für Täter ab 16 Jahren und bei bestehender Gefahr für Dritte bei Entlassung aus einer geschlossener Unterbringung bei Volljährigkeit beschränkt. Die Schwere dieses Eingriffes wird also berücksichtigt.

Der Gesetzesentwurf bietet nun ein Werkzeug an, welches es ermöglicht, in absoluten Ausnahmefällen eine Lösung zur Hand zu haben. Fälle, in welchen ein junger Mensch als Jugendlicher einer der schlimmsten Straftaten überhaupt begangen hat und nach bis zu 9 Jahren in einer geschlossenen Unterbringung bei Wegfall der Unterbringung nach wie vor eine Gefahr für Dritte darstellt. Mit diesem Werkzeug muss äusserst sorgsam umgegangen werden.

Gleichzeitig gilt es aber auch, geeignete Institutionen zu schaffen, die in der Lage sind, auch mit Gewalt und Renitenz umzugehen.

Art. 25 Abs. 2 E-JStG, Verwahrung im Anschluss an einen Freiheitsentzug

Ein Vorbehalt im Grundurteil, welches die Option Verwahrung nach Abschluss des Freiheitsentzuges ermöglicht, ist aus Sicht der SVJ nicht EMRK- resp. KRK-konform.

Auch ist eine Prognosestellung im Zeitpunkt des Urteils im Hinblick auf eine spätere Verwahrung nicht zu vergleichen mit einer Prognosestellung bzgl. einer geschlossenen Unterbringung. Eine mittel- bis langfristige Prognosestellung bei minderjährigen Straftätern ist gemäss Experten und Expertinnen der forensischen Psychiatrie nicht möglich. Die Persönlichkeits- und Hirnentwicklung ist noch nicht abgeschlossen. De facto handelt es sich um junge Menschen zwischen 19-22 Jahre, die als Jugendliche einen Mord begangen haben, mit einem Freiheitsentzug von mindestens drei Jahren sanktioniert worden sind und eine prognostizierte Gefahr für Dritte darstellen, der nicht anders als mit einer Verwahrung begegnet werden kann. Eine auf den Freiheitsentzug folgende Verwahrung hätte mangels Behandlungsbedürftigkeit zur Folge, dass diese jungen Menschen einfach aufbewahrt werden. Denn wenn eine Behandlungsbedürftigkeit vorläge, wäre dieser durch die Vollzugsbehörde mit einer jugendstrafrechtlichen Schutzmassnahme begegnet worden.

Hinzu kommt, dass die vorgesehenen formellen Auflagen kaum umsetzbar sind. Eine jährliche Überprüfung des Vorbehaltes mittels Gutachten ist extrem zeitaufwändig und teuer. Sobald ein Gutachten vorliegt, müsste bereits wieder mit dem nächsten Gutachten gestartet werden.

Fazit

Die Schweizerische Vereinigung für Jugendstrafrechtspflege positioniert sich grundsätzlich gegen eine Verwahrung von jugendlichen Straftätern, kann aber hinter dem nun vorliegenden Gesetzesentwurf stehen.

Bezüglich des Vorbehaltes im Grundurteil und einer Verwahrung im Anschluss an einen Freiheitsentzug liegen grosse Vorbehalte betreffend Anwendbarkeit und Umsetzbarkeit vor.

Nichtsdestotrotz schliesst die nun ausgearbeitete Vorlage die Sicherheitslücke, die in der Motion Caroni angeprangert worden ist.

24.01.2023/kid

 

https://www.parlament.ch/press-releases/Pages/mm-rk-s-2023-02-15.aspx?lang=1031

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